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#5 - 08.09.2025 - Es geht vorzeitig heim.
Ich habe ganz spontan eine schwere Entscheidung gefällt: Ich fahre nach Hause. Nicht mit dem Rad, sondern mit dem Zug.
Schon vor einigen Tagen habe ich gemerkt, dass es gerade zu viele Themen auf einmal sind. Akquise, um unterwegs Geld zu verdienen, die Arbeit an meinem Buch und weitere Filme meiner „eigentlichen“ Projektidee.
Am 02. September habe ich einen wunderschönen Ostseestrand bei Warnemünde erreicht. Ich bin mit dem Rad von den Bergen bis ans Meer gefahren, gespürt habe ich dort am Strand aber kaum etwas. Zumindest keine Freude oder irgendeine Form von Euphorie.
Nach einer Nacht auf einem Campingplatz, an dem ich ursprünglich zwei Nächte bleiben wollte, um am Laptop arbeiten zu können, bin ich am nächsten Morgen weiter. Auch das ist eine (nicht ganz neue) Erkenntnis dieser Reise: Campingplätze sind keine Orte, an denen ich mich wohlfühle. Es gab auf der ganzen Reise nur wenig offizielle Zeltgelegenheiten, die mir gefallen haben. Die besonderen Nächte und Orte waren meistens irgendwo am Feldrand. Gleichzeitig fehlt mir hier die Gelegenheit, einige Stunden am Rechner arbeiten zu können.
Um mich zu sortieren und am Buch weiter arbeiten zu können, habe ich mir für zwei Nächte eine Unterkunft besorgt und dafür wieder tief in die Tasche gegriffen. Dafür hatte ich zwei besondere Nächte an einem sehr schönen Ort. In der Nähe von Parin habe ich einen liebevoll eingerichteten Bauwagen bezogen, umgeben von Bäumen und Wiesen. Diese Form des Wohnens könnte ich mir für immer vorstellen. Hier musste ich an Evas (erster Film) Geschichte „Ich wünsche dir ausreichend“ denken. Denn dieser Bauwagen in der Natur schien die Definition meines persönlichen „ausreichend“ zu sein. Ein Bett, ein Ofen, eine kleine Küche und Gras unter den Füßen, sobald man den Wagen verlässt. Ich war hier vom Außen nicht so abgeschottet wie in einem Haus: zwei Fenster auf und ich hatte leichten Wind im Gesicht. Bei Regen tröpfelte es nahezu meditativ auf das Dach dieser wunderbaren Behausung. Besonders entscheidend für diese Erfahrung ist aber nicht nur der Bauwagen selbst, sondern der Ort, an dem er steht. Zurückgezogen im Grünen, abseits lärmender Straßen und dicht bebauter Siedlungen.
In dieser Umgebung konnte ich konzentriert an meinem Buch arbeiten und einen großen Arbeitsschritt abschließen. Neu motiviert ging es dann weiter nach Lübeck, wo ich eine Freundin traf, die ich seit mehreren Jahren nicht gesehen hatte. Lübeck ist definitiv eine schöne Stadt. An jeder Ecke gibt es Marzipan! Und es tat gut, mal zwei Tage nicht an mein Buch, mein Projekt oder Akquise zu denken.
Als ich mich gestern morgen wieder auf den Weg gemacht hab, bin ich noch davon ausgegangen, dass ich wie geplant weiter mache. Aber nur nach wenigen Kilometern kamen die Zweifel wieder auf. Die Zweifel, ob es mir wirklich gelingen wird, unterwegs Geld zu verdienen. Meine Dienstleistungen zu verkaufen fällt mir zu Hause schon schwer. Unterwegs, nun mit schwer zu planenden Zeitfenstern und ohne konkrete Route, fehlt mir einfach der Glaube daran, dass mir das gelingen wird. Außerdem müsste ich mich dafür wieder irgendwo einschließen und konkret Unternehmen anschreiben. Ich habe aber keine Lust mehr, noch mehr Geld für Unterkünfte auszugeben. Und nicht nur die Lust geht mir irgendwann aus, sondern auch das Geld.
Gegen Mittag mache ich auf einem Feld eine Pause und versuche zu analysieren, ob das gerade nur eine Laune ist. Aber ich erinnere mich schnell, dass die Sorgen und Fragen die ich habe, nicht erst seit gestern da sind. Und dass mir weiterhin die Antworten fehlen. Die Idee, die Reise zumindest zu verkürzen fühlt sich klar und richtig an. Es zieht mich zurück Richtung Süden. Ich überlege, einfach nur mit dem Rad zurück zu fahren, ohne Filme zu machen und mir zusätzlichen Druck zu machen. Aber auch da revoltiert mein Bauchgefühl. Ich werde das nicht genießen können. Es ist nicht die Zeit für Urlaub. Ich muss und will mein Business ans Laufen bringen!
Noch während der Pause buche ich den nächsten freien Nachtzug von Hamburg nach Rosenheim. Und dazu noch eine Unterkunft für zwei Nächte in der Nähe von Hamburg. Obwohl sich die Entscheidung richtig anfühlt, bin ich traurig. Auch wenn mir klar ist, dass das kein komplettes Scheitern ist, fühlt es sich wie Scheitern an.
Was nicht geklappt hat: Unterwegs Geld verdienen. Hätte ich dem noch eine Chance geben sollen? Vielleicht. Aber es hätte sich in Anbetracht meines Kontostandes wie Pokern angefühlt. Das Jahr lief zwar gut bislang, aber nachdem das letzte Jahr noch besser lief, kam das Finanzamt mit deutlich mehr Nachforderungen als ich gerechnet hatte. Diese musste ich erstmal wieder reinarbeiten.
Ich überlege, ob ich bereue, überhaupt losgefahren zu sein. Das lenkt meine Gedanken schnell auf das viele Positive der letzten fünf Wochen. Von Beginn an habe ich gesagt, das hier ist ein Experiment. Und Experimente sind ergebnisoffen. Vieles hat geklappt. Ich habe drei Filme gemacht, wie ich sie machen wollte. Ich bin mit meinem Buch deutlich weitergekommen (Ich dachte ursprünglich, dass die Arbeit daran erst Anfang September weitergeht, aber meine Lektorin war schneller. Jetzt bin ich aber froh, dass vieles der Arbeit bereits geschafft ist). Ich habe meine Webseite komplett überarbeitet, meine Positionierung geschärft. Ich habe Anschreiben an unterschiedliche Zielgruppen erarbeitet, was wichtige Vorarbeit für die Akquise zu Hause ist. Aber vor allem: Ich habe viele tolle Menschen getroffen und inspirierende Gespräche geführt.
Ich habe wichtige Erfahrungen gemacht. Ich habe etwas gewagt und einfach gemacht. Und ich habe jetzt eine schwere Entscheidung gefällt.
Ich möchte auch zukünftig Filme aus Leidenschaft über interessante Menschen machen. Und wer weiß, vielleicht fahre ich nächstes Jahr wieder mit Rad und Kamera los. Dann jedoch entweder mit größerem Puffer und klarem Fokus auf Filme über Menschen am Wegesrand, oder ich akquiriere im Vorfeld, dass ich unterwegs frei von dieser Belastung bin. Wir werden sehen.
Zum Schluss möchte ich noch eine Bitte äußern. Ich freue mich über jeden, der mich und meine Arbeit in seinem Netzwerk weiter empfiehlt (Deutschlandweit, Österreich, Schweiz). Selbstständigkeit ist kein Selbstläufer, auch wenn es für viele von außen so auszusehen scheint. Auch ist einigen nicht so richtig klar, wie ich mit meinen Filmen anderen Menschen und Unternehmen helfen kann. Daher hier in aller Kürze ein paar konkrete Ideen:
Filme für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen (vor allem im Dienstleistungsbereich)
Nahezu jeder sieht eine Webseite als selbstverständlich an – aber kaum jemand denkt daran, sich oder das Team in einem Porträtfilm zu zeigen. Dabei ist die eigene Persönlichkeit oft „die halbe Miete“.
Webseiten informieren. Meine Filme machen Persönlichkeit erlebbar, schaffen Vertrauen und Nähe. Kurz: Die Webseite ist Pflicht. Der Film ist der Unterschied.
Mitarbeitergewinnung (Unternehmen alle Größen)
Echte Wertschätzung statt Obstkorb. Angestellte verlassen nicht das Unternehmen – sie verlassen ihre Kollegen und Vorgesetzten. Was bringt mir die kostenlose Mitgliedschaft im Fitnessstudio wenn die Kultur nicht stimmt. Es gibt die Unternehmen, wo sich Mitarbeiter wirklich wohl fühlen. Hier helfen meine Porträtfilme, weil sie ein Unternehmen erlebbar und fühlbar machen.
Unternehmen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen / Stiftungen / NGOs
Gesellschaftliche Verantwortung bedeutet handeln, anstatt zu reden. Dieses Handeln mache ich sichtbar. Ich porträtiere bspw. besondere Projekte und deren Wirkung. Kern meiner Filme sind auch hier Interviews mit den Akteuren. Denn:
Werteorientierte Zielgruppen wollen berührt und informiert werden – nicht von Content-Fastfood, sondern von Geschichten, die Haltung, Nähe und Sinn erlebbar machen.
Egal, um welchen Bereich es hier geht – wenn ihr mich empfehlen möchtet, dann bitte nicht als „Kameramann“. Meine wichtigste Kompetenz ist es, dass Menschen sich bei mir vor der Kamera wohlfühlen und öffnen. Ich fange Persönlichkeit ein und schaffe filmische Begegnungen. Darum geht es bei meiner Arbeit.
Ich möchte mich bei allen bedanken, die meine Reise hier verfolgt haben. Jetzt freue ich mich auf Nicole, auf Aschau, auf ein paar schöne Spätsommer Hike&Flys und Wanderungen in den heimischen Bergen.
Ganz liebe Grüße
Euer Max
#4 - 02.09.2025 - Ein Monat Walz: Die Suche nach dem richtigen Weg
Ich bin nicht sicher, wie es weitergehen soll. Einen Monat bin ich jetzt unterwegs. Vieles ist gut gelaufen, vielleicht sogar besser, als ich es mir vorher vorgestellt habe. Auf meine Habenseite dieses Projekts stehen einige wichtige Punkte: Ich habe bereits drei Filme produziert, allesamt mit Menschen, die mich inspiriert oder berührt haben. Parallel dazu arbeite ich immer noch am Lektorat und der Kürzung meines Buches zur Norwegendurchquerung. So sehr mir dieses Projekt am Herzen liegt, so schwer ist es immer wieder, meinen Fokus aufzuteilen auf mehrere Dinge. Interessante Menschen für mein Projekt zu finden, Akquise zu machen, um dringend benötigte Jobs zu bekommen, und mich ganz in mein Buch zu vertiefen. Darüber hinaus habe ich in den letzten Tagen meine Webseite (www.maxbaudrexl.com) überarbeitet, um noch klarer herauszustellen, welchen Unternehmen und Organisation ich mit meinen Filmen helfen kann. Rückblickend habe ich in diesem Monat also vieles geschafft. Ich habe viele wichtige Erfahrungen gemacht. Und fast nebenbei bin ich mit dem Rad von den Bergen bis ans Meer gefahren. Denn heute werde ich die Ostsee erreichen.
Bis auf wenige Ausnahmen habe ich die meiste Zeit draußen gelebt. Das dauerhafte Leben an der frischen Luft hat fast nur Vorteile: Ich fühle mich lebendig und meine Screentime an Handy und Laptop sind deutlich reduziert. Denn wenn ich hier draußen am Bildschirm arbeite, dann mit klarem Fokus. Vor allem erfreue ich mich, ähnlich wie bei meiner Norwegendurchquerung, viel mehr an den kleinen Dingen: eine heiße Dusche, ein schöner Zeltplatz, irgendwo versteckt am Feldrand, ein einfacher Kaffee in der kühlen Morgenluft…
Ich freue mich über positives Feedback zu meinen Filmen. Eine große Reichweite habe ich nicht, was ich auch nicht erwartet habe. Umso wichtiger sind mir die vielen kurzen, aber sehr persönlichen Rückmeldung von Freunden, Bekannten und manchmal sogar mir unbekannten Menschen. Dennoch habe ich immer wieder das Gefühl, dass meine Arbeit unsichtbar ist. Natürlich leben die kurzen Filme, die ich mache, von den Protagonisten, die ich treffe. Interessante Menschen, die etwas zu berichten haben, sind Grundlage für meine Arbeit hier. Das es aber gelingt, eine fremde Person mit einem Thema in wenigen Minuten so darzustellen, dass man hinterher das Gefühl hat, diese Person zu kennen, ihr begegnet zu sein, das hat nichts mit reiner Fleißarbeit zu tun.
Es benötigt Empathie, Sensibilität und Feingefühl in sämtlichen Produktionsschritten. Es ist essenziell, dass ich zu unterschiedlichsten Leuten einen persönlichen Draht aufbaue, dass ich sie während eines Drehtags mitnehme und führe. Dass ich Ihnen ein gutes Gefühl gebe. Während ich die Technik im Blick habe, prüfe, ob Bild und Ton passen, führe ich ein Gespräch mit meinen Protagonisten. Ich stelle nicht einfach nur Fragen. Vor allem höre ich zu. Gleichzeitig prüfe ich, ob das ich Gesagte so schneiden kann, frage gegebenenfalls erneut nach, ohne den Gesprächsfluss zu unterbrechen. Ich möchte, dass ich die Menschen mir öffnen, mir frei vom Herzen erzählen, was ihnen wichtig ist. Und das, während die Kamera läuft. Diese geschützte Atmosphäre aufzubauen und zu halten, kostet mich viel Energie, aber sie ist es wert.
Nach einem Dreh fahre ich mit dem Material eines 45-minütigen Interviews und einer Reihe von Schnittbildern nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nie, was genau aus meinem Material entstehen wird. Oft habe ich große Zweifel, ob es möglich ist, eine dreiminütige Essenz aus so einem langen Gespräch zu ziehen, ohne dass Fokus und roter Faden der Geschichte verloren gehen.
Im Schnitt zerlege ich das gesamte Interview in alle Aussagen und sortiere nach Themen. Es gibt Inhalte, die rein inhaltlich relevant sind und es gibt Aussagen, die emotional sehr stark sind. Während des Schnitts lasse ich mich zu 100 % in das Interview fallen. Ich versuche zu spüren, welche Aussagen mich besonders berühren. Und ich prüfe, wie viel ich wegnehmen kann, ohne dass die Geschichte, die eigentliche Essenz verloren geht. Fast bei jedem Projekt gehe ich einmal durch ein mentales Tief, weil ich zwischendrin immer wieder befürchte, dass es mir diesmal nicht gelingt, die Geschichte logisch und emotional zu erzählen. Aber bislang ist mir das immer gelungen.
Der Moment, wenn dann Musik und Schnittbilder meinen Film ergänzen, und das ganze Werk zu Leben beginnt, ist der Moment, wofür ich diese Arbeit mache. Wenn da plötzlich ein Film ist, der das Gefühl vermittelt, einem Menschen wirklich begegnet zu sein. Diesen Menschen auch in einer Tiefe wahrgenommen zu haben. Eine Verbindung zu spüren.
Für mich gibt es kaum etwas größeres. Die 3-4 Tage Arbeit, die letztendlich in einem solchen Film stecken, ist mir der Aufwand wert. Bei vielen Unternehmensfilmen konzentrieren sich sowohl die Redakteure als auch die Protagonisten auf klare Botschaften und präzise Formulierungen, die das Kommunikationstool „Imagefilm“ rund und effizient machen sollen. Selten habe ich dabei das Gefühl, einen Menschen kennengelernt zu haben. Dabei ist es, insbesondere in der heutigen Social Media- und KI-geprägten Zeit, doch so wichtig, die Menschen hinter einer Idee, einem Projekt oder einem Unternehmen zu erleben.
Immer wieder habe ich aber das Gefühl, dass ich mit diesem Denken ziemlich allein dastehe. Lohnt sich der ganze Aufwand, den ich betreibe überhaupt? Die Resonanz auf das, was ich tue, ist insgesamt gering. Oft werden meine Videos nicht zu Ende geschaut, das sehe ich an den Absprungzahlen bei YouTube und Instagram. Das demotiviert. Gleichzeitig mache ich mir bewusst, dass meine Arbeit nicht darauf ausgerichtet ist, eine große Masse anzusprechen. Meine Arbeit hilft, und davon bin ich überzeugt, nicht viele, sondern die richtigen Menschen anzusprechen.
Aber diese Erkenntnis hilft mir nur wenig, wenn andere nicht ähnlich denken und bereit sind, in meine Dienstleistung zu investieren. Vermutlich gibt es da draußen weit mehr, als ich in meinem Terminkalender unterbringen könnte. Aber ich tue mich schwer, diese Menschen zu finden. Wenn die Tür zu einem anderen Menschen einmal geöffnet ist, fällt es mir leicht, mich auszutauschen, mich zu öffnen und eine persönliche Beziehung einzugehen. Es fällt mir aber immer wieder unüberwindbar schwer, bei fremden Menschen anzuklopfen und mich samt meiner Dienstleistung zu präsentieren.
Ich glaube mittlerweile auch zu verstehen, warum das so ist. Ich gehöre zu den sensibleren Menschen, die Stimmungen, häufig ungefiltert wahrnehmen und aushalten müssen. Was für die Produktion meiner Filme eine unbezahlbare Stärke ist, ist für mich als Unternehmer die größte Hürde. Wohlwissend, dass ich mit dem, was ich tue, vielen Menschen helfen könnte, mag ich nicht einer von den unzähligen aufdringlichen Typen sein, die tagtäglich versuchen, jemandem ihre Dienstleistung oder ihr Produkt aufzuschwatzen. Ich möchte nicht Teil von diesem Viel zu Viel sein.
Und dann verzweifle ich wieder, weil ich nicht weiß, wie ich jetzt aber auch in Zukunft weitermachen soll.
Ende der Woche werde ich in Lübeck sein. Ich hoffe, dass ich bis dahin die Arbeit am Buch weitgehend abschließen kann. Wie es dann weitergeht weiß ich noch nicht. Für weitere Projekte aus Leidenschaft fehlt mir gerade der freie Kopf.
Das war viel Text. Daher vielen Dank an alle, die bis hierhin gelesen haben.
#3 - 28.08.2025 - Und plötzlich ergibt sich vieles von selbst
Mein Projekt hier ist nicht direkt vergleichbar mit meiner Norwegendurchquerung 2023. Aber ich erkenne immer wieder Muster. So wie vor wenigen Tagen meine Gedanken an einen Abbruch.
Vor drei Tagen bin ich Mittags wahllos in einen Feldweg gefahren. Ich hatte keinen Plan, wohin, ob ich weiter machen soll. Ob ich das Ganze nicht einfach abbreche. Ich war richtig niedergeschlagen und habe mich erst nach fünf Stunden aufgerafft und bin weiter zu einem Campingplatz gefahren.
Ich habe einen schönen Platz nahe am See und die freundlichen Nachbarn aus einem Wohnmobil legen mir ein Stromkabel ins Vorzelt. Am nächsten Morgen gehe ich noch davon aus, dass ich weiterfahren werde. Dann komme ich jedoch mit dem Inhaber des Campingplatzes ins Gespräch. Der hatte am Telefon schon irgendwie vertraut geklungen. Der Mann hat 35 Jahre im Pott gearbeitet, wie sich herausstellt. Er hat gleich ein paar Ideen, welche spannenden Leute es in der Umgebung gibt. Die Kosten für die erste Nacht solle ich einfach als Sponsoring ansehen.
Ich versuche, einen Fischer, eine Stunde nördlich von hier, zu erreichen. Der Mann soll interessant sein. Während ich vor meinem Zelt sitze, komme ich mit immer mehr Leuten ins Gespräch. Aus Sachsen, aus Thüringen, aus dem Ruhrgebiet und sonst wo her. Einer heißt Peter und erzählt mir von einer Frau, die in der Nähe ein Antiquariat unterhält. Die habe ein ganzes Haus vollgestopft mit Büchern. Es muss ein besonderer Ort sein, so wie Peter schwärmt.
Ich entscheide mich, wenigstens eine Nacht zu verlängern. Irgendwas wird sich hier jetzt ergeben. Und einige Zeit später antwortet Ilona, die Bücherfrau auf meine Anfrage. Heute habe sie keine Zeit mehr, aber am nächsten Tag.
Und so fahre ich am nächsten Tag samt Equipment zu ihr und ihrem Mann Bernd. Das Thema meines Porträts sind Ilona und die Bücher. Aber nach dem Interview reden wir über die Zeiten der DDR, die Wende und Otto Lilienthal, der wenige Meter entfernt Pionierleistungen für die Fliegerei geleistet hat, aber auch leider dort verunglückt ist. Ebenfalls nicht zu übersehen ist ein riesiges Passagierflugzeug, das an diesem ältesten Flugplatz der Welt (eine Graspiste) in Gedenken an Otto Lilienthal gespendet wurde.
1989 landete die riesige IL62 auf einem 900 Meter langen Acker. Eine Meisterleistung der Crew. Was dort los war, sehr ihr hier.
Mittlerweile bin ich in Plau am See, wo ich in der Ferienwohnung eines Freundes untergekommen bin und arbeite weiter am aktuellen Film, Akquise und allem Drum und Dran.
#2 - 23.08.2026 - Tag 22 - Abbruch, Verkürzen oder einfach weiter?
Seit meinem Hotelaufenthalt sitze ich schon wieder zwei Tage auf dem Rad.
Es arbeiten wieder Zweifel an dem Konzept meiner Tour. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich einfach so Menschen kennenlerne und sich daraus der nächste Film entwickelt, ist einfach gering. Ich komme zuletzt sehr wenig mit anderen Menschen ins Gespräch. Also fahre ich einfach weiter. Aber was soll passieren?
Ich bin nicht der Typ, der hier in ein Wirtshaus geht, am Stammtisch mit der Faust auf den Tisch klopft und fragt, wer ein Thema hat, das ihm dringend am Herzen liegt. Dazu kommt, dass ich, seitdem ich in den neuen Bundesländern unterwegs bin, nur Skepsis anstatt Neugier erfahre. Ich versuche, jederzeit offen und freundlich zu sein. Selten wird zurückgegrüßt und wenn dann mit einem skeptischen Blick.
Bis rund 100 Kilometer nördlich von Regensburg sprachen mich die Leute auf mein Schild am Rad an, fotografierten es ab, weil sie die Idee schön fanden und wünschten mir gutes Gelingen. Jetzt habe ich das Gefühl hier ein Fremder zu sein. Dafür wird die Landschaft immer schöner: Toll ausgebaute Radwege und endlose Felder und Wälder. Das macht es auch leichter, immer wieder unentdeckt mein Zelt aufzubauen.
Gestern habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, mein Projekt deutlich zu verkürzen oder sogar ganz abzubrechen, weil ich eben nicht daran glaube, dass sich zufällig ein nächstes Filmprojekt ergibt. Aber dann habe ich mich daran erinnert, warum ich das hier machen wollte. Ich genieße das einfache Leben, das Draußensein. Wenn ich morgens auf einem abgeernteten Weizenfeld neben meinem Zelt sitze, einen heißen Kaffee in der Hand und frische Luft um die Nase, dann bin ich zufrieden.
Ich freue mich zwar wieder auf die heimischen Berge und das Gleitschirmfliegen. Aber hier habe ich einen Alltag, in dem es mir an nichts fehlt. Und nichts zu viel ist.
Das Einzige, was mir hier zu 100-prozentiger Zufriedenheit fehlt, ist ein weiteres Projekt und bald mal ein bezahlter Job. Für ersteres recherchiere ich nach Vereinen und ehrenamtlichen Engagements. Da wo eh kein Geld für einen Film ist, aber Aufmerksamkeit dringend gebraucht wird. Ähnlich wie beim Strohhalm in Regensburg. Es sind dann zwar keine zufälligen Begegnungen am Wegesrand. Aber das ist nicht der Kern meines Projekts. Mir geht es ums draußen sein und um Filme über Themen des Lebens.
Für bezahlte Jobs starte ich gerade aktiv mit Akquise und schreibe Selbstständige und Unternehmen an, deren Arbeit stark von der eigenen Persönlichkeit lebt. Z.B. Coaches, Berater, Dienstleister und alles im Recruiting-Bereich. Denn hier kann ich mit meinem Stil, Filme zu machen, am besten weiterhelfen. Denn ich mache Haltung, Expertise und Motivation meiner Protagonisten erlebbar. Und den Menschen selbst.
In diesem Sinne geht es munter weiter!
#1 - 15.08.2026 - Tag 14 - Über Sorgen und Zweifel und den Blick nach vorn
Die ersten 14 Tage sind um und in Summe hätte ich mir einen Start in mein Projekt „Menschen am Wegesrand“ kaum besser vorstellen können. Schon zwei Filme sind entstanden und ich habe viele tolle Menschen kennengelernt. Mit meinem schwer beladenen Rad folge ich so gut es Radfernwegen, idealerweise solchen, die sich an Flüssen orientieren, um die Anzahl größerer Steigungen gering zu halten. Im Schnitt fahre ich nur 60-70 Kilometer am Tag, was sich als angenehme und stressfreie Distanz erwiesen hat. Seit meinem zweiten Radl-Tag gibt das Wetter auch ein wenig das Tempo vor. Regelmäßig verbringe ich 2-3 Stunden der größten Mittagshitze im Schatten liegend unter einem Baum.
Meine Route bislang
Meine Route bislang führte um den Chiemsee, die Alz entlang, über die Salzach bis zum Inn. Dem Inn folgte ich bis zur Mündung in Passau, um von dort der Donau bis Regensburg zu folgen. Von Regensburg ging es entlang der Naab bis Kallmünz, um von dort auf dem Vilsradweg weiter zu fahren. Seit Amberg geht es etwas kreuz und quer, den hoffentlich flachsten Weg durchs Fichtelgebirge. Alles eine ideale Übung für die nächste Partie „Stadt, Land, Fluss“.
Übernachtungen
Bislang habe ich erst zwei mal wild gecampt. Die Zeit dafür ist eigentlich ideal, aber bei der Hitze freue ich mich über eine Dusche, wenn kein Fluss in der Die meisten Felder sind abgeerntet, der zweite Schnitt ist gemacht und es gibt ausreichend nicht einsehbare Ecken. Bei der ersten freien Übernachtung habe ich den Bauern zufällig getroffen und um Erlaubnis gefragt. Grundsätzlich halte ich es wie in Norwegen. Wenn ich irgendwo übernachtet habe, findet man keine Spuren von mir – nicht einmal Klopapier.
Aktuell
Im Moment (15.08.) befinde ich mich auf dem Kornberg-Borderland-Campingplatz in der Nähe von Selb. Hier habe ich mir zwei radfreie Tage verordnet, um endlich mal Wäsche zu waschen und einiges am Laptop zu erledigen. Für die kommenden Tag möchte ich einen freien Kopf haben. Ich habe von meiner Lektorin eine überarbeitete Fassung meines Buches zu meiner Norwegendurchquerung 2023 bekommen und möchte mich in den nächsten Tagen einzig und allein auf dieses Projekt konzentrieren. Vor wenigen Tagen habe ich mit dem Verlag das Cover und Titel abgestimmt. Es fühlt sich komplett surreal an, einen Buchtitel zu sehen, auf dem der eigene Name steht. Aber es ist ein wunderschönes Gefühl!
Sorgen und Zweifel
Wer meine Reise durch Norwegen verfolgt hat, weiß, dass Sorgen und Zweifel fester Bestandteil meines Gepäcks sind. Während mich in Norwegen immer wieder Zweifel am Gelingen der Tour, am eigenen Durchhaltevermögen und vielen äußeren Umständen geplagt haben, beschäftigt mich hier seit einigen Tagen etwas anderes: Social Media.
Ich bekomme das Gefühl nicht in den Griff, dass LinkedIn, Instagram und Co einfach nicht mein Weg sind. Es tut mir nicht gut.
Ich liebe es, meine Filme zu machen. Zwei, drei oder vier Minuten, in denen es um Menschen geht, um Echtes, ums Leben. Die gleiche Zeit, die ich benötige, um einen Film zu machen, benötige ich, um Reels, Posts und Beiträge für Social Media zu generieren. Bei dieser Arbeit spüre ich regelrechten inneren Widerstand. Das hatte ich vor einigen Wochen schon auf LinkedIn thematisiert. Und immer wieder komme ich an diesen Punkt. Es fühlt sich einfach falsch an, an diesem eh schon „viel zu viel“ teilzuhaben. Es ist als würde ich eine minimale Prise von Zutaten, die ich für richtig und wichtig halte, in einen riesigen See aus Abwasser kippen.
Und während meine Zutaten zügig in diesem riesigen See ertrinken, kraule ich weiter durch das Abwasser und versuche, zwischen all dem Unsinn Content zu entdecken, der mir den Moment irgendwie bereichern könnte. Dabei sehe ich zu 50% irgendwelche operierten Tussis, die ihre Titten in die Kamera halten und ernsthaft glauben machen wollen, die zigtausend hauptsächlich männlichen Follower folgten ihnen wegen der Weisheiten unter ihren Möpsebildern. Weisheiten wie „Habe den Mut, du selbst zu sein“. Ja ne, is klar. Wie oft muss ich denn im Gesicht operiert werden, um endlich „ich selbst“ zu sein?
Ich war schon einmal weg von Instagram, Facebook & Co. Aber ohne Sichtbarkeit geht es auch nicht. Grundsätzlich fällt es mir schwer, meine Dienstleistung zu verkaufen. Auch weil ich das Gefühl habe, dass das Format, was ich anbiete, nur von wenigen Menschen geschätzt wird. Am Ende setzen doch viele lieber auf Perfektion und Effekte in der Außendarstellung, anstatt auf ein wenig Tiefe und Persönlichkeit.
Die Tour hier ist eine andere als meine Tour durch Norwegen. Norwegen war (und ist) eine tiefe persönliche Sehnsucht. Hier hingegen versuche ich das geliebte einfache Zeltleben und das Draußensein damit zu kombinieren, Filme zu machen, die ein Stück vom Echten, vom Leben einfangen. Dabei geht es auch darum, gesehen zu werden, was mir in Norwegen überhaupt nicht wichtig war. Mir fällt es schwer, Social Media als „Sender“ zu nutzen und dabei nicht auf Empfang zu schalten. Natürlich will ich wissen, wie meine Beiträge ankommen und ruckzug befinde ich mich wieder im schwarzen Loch der Aufmerksamkeit raubenden Plattformen. Für die weiteren Tage habe ich mir vorgenommen, weitestgehend die Finger von den entsprechenden Apps zu lassen und mich wieder auf mein eigentliches Vorhaben zu fokussieren.
Die weitere Route
Morgen geht es noch einmal ca. 50km auf und ab, bis ich die Mulde-Quelle erreiche. Der Mulde folge ich in den nächsten Tagen rund 360 Kilometer bis zur Mündung in die Elbe bei Dessau. Wie es dann weitergeht, wird sich zeigen. Mein grober Plan ist es, ein großes auf dem Kopf stehendes „U“ in die Deutschlandkarte zu zeichnen.
Weitere Filme & Jobs
Ich wünsche mir, dass ich Menschen treffe, die ein konkretes Thema beschäftigt oder die irgendwie aus der Reihe tanzen. Themen, die aus dem Leben kommen, nicht aus der Selbstdarstellung. Themen, die vielleicht sonst zu wenig gesehen werden. Wie ich solche Menschen und Themen finde, dazu muss ich mich auf den Zufall verlassen.
Das Jobthema ist eine weiteres, was mir etwas Sorge bereitet. Wie lande ich hier unterwegs einen Job? Ich habe mir vorgenommen, mich jetzt im August nicht verrückt zu machen. Aber ich freue mich über Tipps und Kontakte zu Unternehmen und Selbstständigen, die ungefähr auf meiner „∩“-Reiseroute liegen.
So viel mal bis hierhin. Ich werde versuchen, hier alle ein bis zwei Wochen ein Update zu geben. Jetzt freue ich mich erstmal auf die Arbeit an meinem Buch und das was mich unterwegs erwartet. Wenn ich die Social Media gedanken aus dem Ganzen hier rausrechne, bin ich gerade sehr zufrieden und alles fühlt sich wieder einmal nach Leben an.